Mark Lewis
Children’s Games (Heygate Estate) / Kinderspiele (Heygate Estate)
Tenement Yard (Heygate Estate) / Hinterhof
(Heygate Estate)
Diese beiden neuen, auf je eine Leinwand projizierten Filmarbeiten des in Kanada geborenen und in England lebenden Künstlers Mark Lewis wurden von Film and Video Umbrella sowie von Cornerhouse für die Gruppenausstellung “Spectator Sport” in der Cornerhouse Gallery in Manchester (11. Mai bis 23. Juni) in Auftrag gegeben. Anschließend werden die Filme separat auch im Rooseum in Malmö/Schweden und am New Arts Centro in Salamanca/Spanien gezeigt.
Beide Filme wurden im April 2002 in Farbe und auf Super 35 mm-Film in Heygate Estate gedreht, einer großen Wohnsiedlung im Südosten Londons. Heygate Estate wurde in den frühen sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts gebaut und ist mittlerweile wieder für den Abriss vorgesehen.
In “Children’s Games (Heygate Estate)” (“Kinderspiele [Heygate Estate)”), der 7 Minuten und 21 Sekunden dauert, gleitet die Kamera in einer zügigen, ungeschnittenen Fahrt über die Gehwege und Überführungen die die Siedlung durchziehen, und schlängelt sich vorbei an deren Treppenhäusern, ihren Ecken und Winkeln. Die moderne Architektur der Wohnblöcke sowie ihre “vernünftig durchdachten” Plätze dominieren die Einstellung zwar, doch an den Bildrändern werden kleine menschliche Aktionen sichtbar. Kinder unterschiedlichster Nationalitäten, die den multikulturellen Charakter der Siedlung widerspiegeln, sind mit einer Vielzahl von Spielen beschäftigt. Sie fahren Rad oder lassen Drachen steigen, tollen herum oder spielen Fußball und erfüllen so die Randzonen der unmenschlichen Architektur mit Leben. Teilweise inspiriert von Pieter Bruegels “Das Kinderspielbild” (1560), lotet “Children’s Games (Heygate Estate)” zugleich auch den berühmten Leitsatz des modernen (strukturalistischen) niederländischen Architekten Aldo van Eyck aus: ”Jeder `Raum` wird im Bewusstsein der Menschen zu einem `Ort`.”
Im Gegensatz dazu besteht das filmische Pendant, “Tenement Yard (Heygate Estate)” (“Hinterhof (Heygate Estate)”), aus einer statischen, sorgfältig durchkomponierten Einstellung von vier Minuten Dauer, die einige im Heygate Estate lebende Kinder beim Bolzen auf einem Brachland zeigt, in dessen Hintergrund die Wohnblöcke bedrohlich in den Himmel ragen. Wie in “Children’s Games (Heygate Estate)” kommt es auch hier auf die Wahrnehmung winziger Details an: Eine lange, niedrige Mauer ist über und über mit Graffitis bedeckt, ein Zelt steht an einer rätselhaften Stelle des behelfsmäßigen Fußballfeldes, Wäsche hängt zum Trocknen draußen und verleiht den eintönigen Häuserfassaden ein paar Farbtupfer, eine offenbar frei schwebende Matratze segelt an den Balkonen der Wohnungen vorbei. Zu gleichen Teilen inspiriert von der uneingelösten architektonischen Utopie des Heygate Estate und dem Einfallsreichtum der dort lebenden Kinder, erinnert “Tenement Yard (Heygate Estate)” auch an die romantischen Gemälde Adolph von Menzels.
Chris Darke
|